Pegida - Pornografie - Pädophilie - voll Keks Alter

05 Februar 2015
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Und täglich grüßt das #Tier

Ich solle doch mal über was Positives schreiben, hat es geheißen. Erstaunt, doch bereitwillig bin ich in mich gegangen und habe auf einer kleinen, von Zauberbalsam benetzten Waldlichtung inmitten meiner verwachsenen Seele etwas gefunden: Keks. Ein Jugendwort aus dem letzten Jahr (soweit ich weiß, ähäm). Ich weiß jedenfalls, dass es ein Synonym für lustig oder cool sein soll. Und das gefällt mir. „Du bist keks.“ Oder: „voll keks.“

Hört sich doch nett an, so nach Voll-Nuss-Schokolade oder Vollmilch. Es lässt sich auch schön damit basteln. Dinkelkeks etwa, für die Ökos. Oder Arschkeks, für die Deppen, also die unkeksen Nasen.

Das Problem ist, dass hier schon wieder Ende vom Positivgelände ist. Meine kleine Lichtung wird überschattet vom PEGIDA-Spaltungs-Quatsch, vom Krieg in der Ukraine und der westlichen Krise sowieso (Geld, Russland, Geld, Griechenland, Geld, Islamophobie, Geld, Bundeswehrtrainer für die Kurden, Geld...). Aus Wien höre ich von Hausbesitzern, die Punks erlaubt haben in einem Haus zu leben und eine stillgelegte Pizzeria neu unter dem sinnigen Namen „Pizzeria Anarchia“ zu eröffnen. Die Punks sollten wohl die restlichen Hausbewohner hinaus ekeln, damit man hier schön sanieren kann. Punks und Hausbesitzer verstanden sich zum Leidwesen der Luxussanierer gut. Also zogen die Hausbesitzer vor Gericht, kriegten ihre Räumungsklage durch, und wegen ein paar Punks rückten 1.400 Polizisten samt Räumpanzer an. Die Punks warfen faules Pizzamaterial und Fäkalien, die Polizei hatte freilich mehr zu bieten. Nun sind die ungeliebten Elemente draußen, was den österreichischen Staat 870.000 Euro kosten kann.

Ja, wenn der Mensch spinnt, gibt er Zeichen. Jeder auf seine Weise, der eine laut, der andere leise. Wenigstens sind die Zeichen bei SMS, Twitter und so weiter eingeschränkt. Bei YouNow, der neuen Live-Chat-Plattform, leider nicht. Dort lassen sich Menschen, vor allem sehr, sehr junge Menschen (offiziell 15- bis 24-Jährige) beim IchSein zuschauen. Überall. Obwohl die Plattform eigentlich als Werbemittel für Musiker und dergleichen gedacht war. Egal, denkt sich Blabla1 aus XY fröhlich und schaltet die Kamera ein, während sie auf dem Klo sitzt.

YouNow – das hört sich obendrein erst mal gut an. Du bist jetzt, du lebst jetzt. Leider machen die Nutzer, vor allem die jungen, genau das Gegenteil. Sie verschwenden ihre begrenzte Lebenszeit auf schrecklich dröge Art und Weise.
Sie zeigen, was sie tragen, mailen während dem Live-Chat mit anderen und beantworten die restliche Zeit Fragen von ihren „Fans“.
- Blubbblubb: „Hast du die Hare geferbt?“
- Blabla: „Ja, die Haare hab ich gefärbt. Hi, hi.“
- Dampfplauder: „Welche Körbchengröse hast du ….?!“
- Blabla: „Hm... Hi, hi.“

Obwohl sie alle mit dem #deutsch oder #deutsch-girl/deutsch-boy ausgezeichnet sind, habe ich keine Ahnung, welche Sprache die Protagonisten sprechen. Es ist eine Mischung aus Stammeln („Isch bin auch … Isch … Instagramm“), „Ohdangöööschööön“ und Kichern. Allerdings kann man den Ton ausschalten. Zu viel Reden macht sowieso die Stimmung kaputt.

Der Reiz an der Sache ist klar. Teenies, die jeden Tag Poster und Bilder von Justin Timberlake bis Bieber anschmachten, da sie die eigene Popularität zum einzigen Lebensziel erklärt haben, bekommen für ein paar Stunden das Gefühl berühmt zu sein. Kann man ihnen kaum vorwerfen. Die Generationen vor ihnen waren ebenfalls gern (wieder) wer. Egal, welchen Charakter „wer“ hatte.

Freilich fallen einem sofort Tausende von „Kind! Lass ab! Das ist schlecht für dich weil“-Sätze ein. Weil du unzähligen Päderasten als zum Leben erwachtes Pornobildchen dienst, etwa. Und das auch noch, ohne dass sie dafür zahlen müssen. Aber das kann man sich schenken. Denn wer so weit geht, sich auf der Onlinebühne beim Käsetoastessen live beobachten zu lassen, um dies als besondere Kochleistungen hinzustellen, sowie den Käsetoast an sich als überlebensnotwendig zu preisen, der braucht so viel Aufmerksamkeit, dass ihm egal ist, was die Leute vor dem anderen Bildschirm machen.

Überhaupt geben sich die privaten Fernsehsternchen sehr locker. Sie geben sich #arschlecken, wenn sie von anderen gedisst werden. Trotzdem dissen sie zurück und rufen sofort Fans zu Hilfe, die selbstverständlich ihren Freundschaftsdiss … äh: Freundschaftsdienst leisten.

Es gibt bei YouNow Verbote wie Nacktheit oder Rauchen. Irgendwie mag man sich gar nicht mehr darüber aufregen, dass (Kinder)pornographie mit Rauchen gleichgesetzt wird. Zudem müssen die Nutzer 13 Jahre alt sein, was niemanden wirklich interessiert oder aufhält. „Hallo, ich bin Blabla und 11 Jahre alt. Hi, hi.“ Stalker sind den Nutzern ebenso schnuppe wie die Aufforderung, mal die Beine zu spreizen. Ist doch alles nicht echt, ist doch bloß Internet. Die merkelsche Neulandtheorie stimmt also doch! Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die meisten Eltern keinen Dunst von dem täglichen Ruhm ihrer Kinder haben.
Mutter von Blabla: „Ah, das ist so was wie Skype.“
Vater von Blabla: „Wir haben jetzt Sky? Super! Ich ruf den Rainer an, damit er mir das einstellt.“

Der Hype um diese Plattform ist, wie gesagt, nur allzu verständlich. Die kritiklose Begeisterung der Jugend ebenso. Propagiert man in diesem Land doch seit Jahrzehnten die legitime Gier nach Macht und Ruhm. Weiterhin erzählen einem die Affendresseure, dass es völlig okay sei, sich für 15 Minuten Rampenlicht (#fame) zum Volldeppen der Nation zu machen. Was nicht heißt, dass man es verständnisvoll akzeptieren sollte. Im Gegenteil. Ein bisschen Aufklärung hinsichtlich der notwendigen Privatsphäre oder sogar eine Erziehung zu selbstbewussten Menschen, die über etwas anderes als „Insta“ und „Hello Kitty“ reden können, wäre durchaus nett.

Mir ist es nach einer halben Stunde zu gruselig geworden, ehrlich gesagt. Kinder, die mit müden oder überdrehten Stimmen Erwachsene spielen. Geistig halb in Trance, halb im H&M. Sie reden irgendwelches Zeug, unverständlich noch dazu. Wie diese halb mumifizierten Typen im Bundestag. Und da schalte ich meistens auch nach einer halben Stunde ab. Um zu sehen, was es an realen Geschehnissen und Erlebnissen auf der Welt gibt. Hoffentlich schaut die Generation YouNow auch mal über den Bildschirmrand und hält dafür eine kleine Weile ihren Rand, um zu hören, dass es außer ihnen selbst noch andere, ganz echte Menschen gibt. Ja, ich tu den Zeigefinger schon wieder runter...

Bevor wir heute schließen, sehe ich doch noch etwas aus meiner Lichtung herausblitzen. Nämlich die Geschichte von der PEGIDA in Schwerin, die sich die wohlklingende Abkürzung MVgida gegeben hat. Freilich, ein Bayern denkt gleich an „Münchner Verkehrsverbund geht in den Arsch“. Aber das MV kommt ja von Mecklenburg-Vorpommern. Die Demonstranten gegen den bösen Islam hatten Schilder dabei, auf der für eine Webseite geworben wurde: mvgida.de. Diese Domain hatten sich allerdings bereits Aktivisten gesichert und zwar für ein Nazi-Aussteigerprogramm. Voll keks, Alta!

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Andrea Limmer

Freie Journalistin

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